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Warum „Eier haben“ mehr bedeutet als Männlichkeit – und warum Mut keine Frage des Geschlechtes ist

Kürzlich habe ich bei WhatsApp einen Status geschrieben, der für Aufsehen sorgte: „Ohne Eier lebt sich’s einfach bequemer.“ Während viele Frauen diesen Spruch mit einem Like bewerteten, fühlten sich vor allem Männer angegriffen. Dabei meinte ich keineswegs, dass das Leben "ohne Männlichkeit" einfacher wäre – sondern dass es bequemer ist, sich anzupassen, als konsequent zu seinen Werten und Aussagen zu stehen. Und da bald Ostern ist, und wir uns gesamtgesellschaftlich wieder einmal auf die Suche nach unseren Eiern machen, auch im übertragenen Sinne, passt wohl keine Thematik besser im Moment in meinen Blog.


Symbolbild: Charakterlosigkeit
Symbolbild: Charakterlosigkeit

Es geht jedoch um weit mehr als nur Mut – es geht um Konsistenz und Verlässlichkeit. Wer immer nur das sagt oder tut, was gerade opportun ist, der mag kurzfristig weniger Gegenwind bekommen, aber auf lange Sicht verliert er an Glaubwürdigkeit. In der Psychologie spricht man hier von Reliabilität: Handeln und Aussagen, die über die Zeit hinweg stabil bleiben, schaffen Vertrauen. Menschen, die beständig für ihre Werte einstehen, selbst wenn es unbequem wird, werden als verlässlich wahrgenommen. Und genau das ist oft der Knackpunkt: Eier haben bedeutet nicht, laut und risikofreudig zu sein, sondern trotz möglicher Konsequenzen für das Richtige einzustehen – auch wenn es unbequem ist.


Sprache als Spiegel unserer Wahrnehmung


Was ist hier passiert? Der Satz enthält eine Doppeldeutigkeit. Oft wird „Eier haben“ als Synonym für Mut und Standhaftigkeit genutzt, während biologisch betrachtet Frauen diejenigen sind, die tatsächlich Eier haben. Dennoch wird ihnen in der Sprache häufig abgesprochen, diese symbolisch zu besitzen – als ob Mut eine rein männliche Eigenschaft wäre. Ironischerweise sind es aber genau die, die sich über den Spruch echauffierten, die damit bewiesen haben, dass Eier zu haben eben doch keine Frage der Biologie ist.


Mut ist nicht per se männlich – was die Wissenschaft sagt


Symbolbild: Mut
Symbolbild: Mut

Interessanterweise zeigen wissenschaftliche Studien, dass Frauen in vielen Situationen genauso mutig oder sogar risikobereiter als Männer sind – nur oft in anderen Kontexten. Neurowissenschaftliche Forschungen legen nahe, dass das weibliche Gehirn anders mit Angst und Risiko umgeht. Während Männer dazu neigen, Risiken impulsiv einzugehen, treffen Frauen eher strategische Entscheidungen, die langfristige Konsequenzen berücksichtigen.

Eine Studie der University of Cambridge fand heraus, dass Frauen in Krisensituationen oft mutigere und rationalere Entscheidungen treffen als Männer. Dies zeigte sich beispielsweise in Führungspositionen während Wirtschaftskrisen, wo Unternehmen mit weiblichen Führungskräften tendenziell stabiler agierten. Auch im Bereich sozialer Risiken – also wenn es darum geht, unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen – zeigen Frauen oft mehr Standhaftigkeit als Männer.


Gesellschaftliche Erwartungen und das "Eier haben"


Die Redewendung „Eier haben“ ist tief in unserer Sprache verwurzelt und wird oft mit Männlichkeit gleichgesetzt. Doch Mut und Standhaftigkeit sind keine geschlechtsspezifischen Eigenschaften – sie sind menschlich. Trotzdem existiert der gesellschaftliche Druck, dass Männer besonders mutig oder stark sein sollten, während Frauen oft als anpassungsfähiger oder diplomatischer gelten.

Warum war der Satz für manche Männer ein so starker Trigger? Weil er unbewusst an ihrem sozialen Selbstbild rüttelt. In unserer Gesellschaft wird Männlichkeit oft über Mut, Stärke und Entscheidungsfähigkeit definiert. Wer sich diesen Erwartungen nicht entsprechend verhält, läuft Gefahr, als schwach oder feige abgestempelt zu werden. Ein Satz wie „Ohne Eier lebt sich’s einfacher“ kratzt genau an dieser tief verankerten sozialen Konstruktion: Er stellt in Frage, ob Mut tatsächlich mit Geschlecht verknüpft ist – oder ob es nicht vielmehr eine persönliche Entscheidung ist, die jeder Mensch unabhängig von seinem biologischen Geschlecht trifft.

Vielleicht fühlten sich manche Männer ertappt, weil sie sich insgeheim bewusst sind, dass sie manchmal den bequemeren Weg wählen. Oder sie sahen die Aussage als Angriff auf ihr Selbstbild. Die Frauen hingegen haben den Satz eher als Bestätigung einer Erfahrung gesehen: dass Mut nicht selbstverständlich ist und dass es oft bequemer ist, sich nicht festzulegen.


Bequemlichkeit vs. Haltung


Bequemlichkeit ist wie eine Couch – kuschelig, sicher und ohne Widerstände. Haltung hingegen ist wie ein unbequemer Stuhl: Man sitzt vielleicht nicht so gemütlich, aber zumindest sackt man nicht ein. Haltung zu zeigen bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen, während Bequemlichkeit bedeutet, einfach mitzutreiben. Und genau das ist der Punkt: Wer es sich zu gemütlich macht, wird irgendwann vom Sog der Beliebigkeit mitgerissen.

Symbolbild: Beliebtsein
Symbolbild: Beliebtsein

Ein Beispiel: Stell dir vor, du bist in einer Gruppe und jemand macht einen abwertenden Kommentar über eine andere Person. Bequem wäre es, zu lachen oder gar nichts zu sagen – denn wer will sich schon unbeliebt machen? Haltung zu zeigen bedeutet hingegen, aufzustehen und klarzustellen, dass so ein Verhalten nicht in Ordnung ist. Ja, es könnte sein, dass du danach nicht mehr der beliebteste Mensch im Raum bist, aber du hast deine Werte verteidigt. Und genau das ist wahre Standhaftigkeit.

Oder nehmen wir das Berufsleben: Sich in Meetings immer an die Meinung der Mehrheit zu hängen, ist einfach. Aber wirklich etwas zu bewirken, bedeutet, auch mal den Finger in die Wunde zu legen und eine unbequeme Wahrheit auszusprechen. Wer immer nur „Ja und Amen“ sagt, mag kurzfristig auf der sicheren Seite sein, doch langfristig wird er als jemand wahrgenommen, der keine eigene Meinung hat – und damit letztlich auch keine Führungspersönlichkeit sein kann.

Im Moment ist die politische Situation wohl die herausforderndste Möglichkeit, Eier zu zeigen. Wir leben in einer Welt, in der die strikte Ablehnung kriegerischer Einmischung als feige und unpatriotisch beschrieben wird. Man überlege sich mal, dass es Zusammenkünfte von Menschen in Deutschland gibt, bei denen Personen teilnehmen, die sich nicht trauen zu sagen, dass sie keine kriegerischen Konflikte wünschen und daran auch nicht partizipieren werden - aus Angst vor sozialer Ausgrenzung. Auch die Spaßvögel, die noch bis vor kurzem gesagt haben, dass wir auch die 3te Ostfront verlieren werden, werden nun mit einem Naserümpfen angeblickt und zu Unpersonen erklärt. Und wer tut das eigentlich: Leider sind es oft die Menschen, die über Mikroaggressionen große Reden schwingen, aber ganz offensichtlich vor einer Makroaggression keinerlei Ängste haben. Da ich selbst im Kampfsport groß geworden bin, kann ich allen sagen, dass es ein Prinzip gibt, dass universeller nicht sein kann: Jeder Kampf, den du nicht kämpfst, ist der Beste! Und wieviele unter uns leben seit Jahren in ihrem Burgfrieden mit Lebenspartnern und Kollegen - die Stille in unserer Gesellschaft ist manchmal so laut, dass ich das Gefühl habe, es müsse demnächst etwas mit einem ohrenbetäubenden Knall platzen!


Der Punkt ist: Haltung kostet Energie, Bequemlichkeit kostet Identität. Wer sich ständig nur anpasst, verliert am Ende den Bezug zu dem, was ihn oder sie wirklich ausmacht. Und während ein Leben in Bequemlichkeit verführerisch sein mag – am Ende ist es auch ziemlich langweilig. Denn seien wir ehrlich: Niemand schreibt Geschichten über Menschen, die nie aus ihrer Komfortzone herausgekommen sind. Heldenreisen beginnen nicht mit „Er blieb bequem auf seiner Couch sitzen“.


Fazit: Eier sind keine Frage des Geschlechts!


Symbolbild: Anpassung bis zur Selbstaufgabe
Symbolbild: Anpassung bis zur Selbstaufgabe

Vielleicht sollten wir aufhören, Mut mit Geschlecht zu verknüpfen. Standhaftigkeit ist eine persönliche Entscheidung – unabhängig davon, ob man sich Mann, Frau oder divers nennt. Und biologisch betrachtet haben Frauen sogar mehr Anspruch darauf, von Eiern haben zu sprechen! Also: Habt Eier – oder eben das, was euch Mut gibt, für das einzustehen, woran ihr glaubt. Denn das Leben ist zwar bequemer ohne, aber ganz sicher nicht erfüllender. Und für alle, die sich noch immer über den Spruch aufregen: Vielleicht einfach mal in den Spiegel schauen und sich fragen, ob es wirklich um den Satz geht – oder um die eigene Komfortzone.


"Quiet! Never! Can't! Those are just words, they're meaningless, It's time to get out of bed and do something." (Johnny Lawrance, Sensei)

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