Erwartung, Wunsch und Wirklichkeit
- Christiane
- 12. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Innerhalb der unzähligen Gespräche mit Klienten, hatte ich schon lange vor, dieses Thema einmal im Blog zu beackern! Besonders beruflich erfolgreiche Menschen leiden oft darunter, dass ihre oftmals besondere Art des "Jemandem etwas Zutrauens" bzw. des "Potenzialerkennens" als negative Eigenschaft gesehen wird, ob nun bei Mitarbeitern oder im Rahmen der Partnerwahl - oft kommen Vorwürfe in Richtung Narzissmus mit allen seinen Facetten. Zuallererst möchte ich eines dazu festhalten: Wo einer macht, macht ein anderer mit. Und wie einfach ist das, wenn man jemanden gefunden hat, auf den man das eigene Versagen oder auch Ratlosigkeit projizieren kann.
"Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns." (Marie von Ebner-Eschenbach)
Und da sind wir schon beim Thema: Erwartungen an sich und andere, Wünsche und Illusion und das plötzliche Einbrechen der Realität, die übrigens für alle Seiten schmerzhaft ist! Also quasi die pure Entzauberung. Woran liegt das? Warum scheint dieser Prozess unüberwindlich zu sein?
„Wunsch“ und „Erwartung“ sind zwei verwandte, aber dennoch unterschiedliche Begriffe, die sich in ihren emotionalen und rationalen Dimensionen unterscheiden. Ein Wunsch ist meist stark emotional geprägt. Es handelt sich um ein inneres Verlangen, das oft subjektiv ist und nicht unbedingt an die Realität oder Machbarkeit geknüpft sein muss. Ein Wunsch zielt auf ein Ziel in der Zukunft, aber er bleibt offen, ob und wie dieser Wunsch in Erfüllung geht. Wünsche können eher eine Vorstellung davon sein, wie die Dinge idealerweise wären. Eine Erwartung basiert oft auf Erfahrungen, Informationen und Einschätzungen. Es handelt sich um eine antizipierte Zukunft, die als realistisch oder wahrscheinlich betrachtet wird. Während ein Wunsch idealistisch ist, ist ein Erwartungshorizont oft konkreter und an bestimmte Bedingungen oder Umstände geknüpft. Er reflektiert das, was man aufgrund von Wissen oder Erfahrungen erwartet, und hat dadurch eine objektivere Grundlage.
"Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von anderen. So bleibt dir mancher Ärger erspart." (Konfuzius)
Ein Wunsch ist tendenziell freier und flexibler, während ein Erwartungshorizont realitätsnäher und an konkrete Einschätzungen oder Voraussagen gebunden ist. Der Wunsch ist emotional getrieben und kann optimistischer oder sogar unrealistisch sein, während der Erwartungshorizont oft auf Wahrscheinlichkeiten oder logischen Schlussfolgerungen beruht.
Zusammengefasst: Ein Wunsch ist ein Ausdruck von Hoffnung und Verlangen, während der Erwartungshorizont die realistischere Vorstellung davon ist, was tatsächlich eintreten könnte.
Das unterscheiden zu können, ist sicherlich eine der wichtigsten Übungen auf dem Weg der Selbstreflektion. Das Nicht-Eintreten eines Erwartungshorizonts kann oft als schlimmer empfunden werden als ein nicht erfüllter Wunsch, weil die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen unterschiedlich sind. Ein Erwartungshorizont basiert häufig auf konkreten Annahmen, Erfahrungen und logischen Schlussfolgerungen. Wenn man etwas erwartet, hat man in der Regel gute Gründe anzunehmen, dass es eintreten wird, was eine stärkere Verbindlichkeit und Vorhersehbarkeit erzeugt. Erwartungen sind oft eng mit dem Gefühl der Kontrolle verbunden. Man glaubt, dass bestimmte Aktionen oder Verhaltensweisen zu den erwarteten Ergebnissen führen werden. Wenn der Erwartungshorizont nicht erfüllt wird, entsteht ein Gefühl des Kontrollverlusts, weil man das Resultat „verdient“ oder „logisch erwartet“ hat. Der Schock und die Enttäuschung beim Nicht-Eintreten eines Erwartungshorizonts können dadurch verstärkt werden, dass die Diskrepanz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Realität größer ist. Bei Wünschen ist man oft darauf vorbereitet, dass sie nicht in Erfüllung gehen, weshalb der emotionale Aufprall weniger stark ist.
Fazit:
Wünsche können die Realität oft positiver erscheinen lassen, weil sie flexibler und ungebundener sind. Sie bieten Raum für Optimismus und Hoffnung, ohne dass unmittelbare Enttäuschung droht.
Erwartungen hingegen haben das Potenzial, die Realität entweder stark zu verbessern, wenn sie erfüllt werden, oder sie zu belasten, wenn sie nicht eintreten. Die emotionale Bindung an den Ausgang von Erwartungen kann intensiver sein, was die Wahrnehmung entweder positiver oder negativer färben kann.
Den Schlusssatz dieses Artikels möchte ich Audrey Hepburn überlassen, die so wunderschön klug sagte:
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